Excerpt from: Die gotische Bibel: Herausgegeben von Wilhelm Streitberg. (Germanische Bibliothek, 2. Abteilung, 3. Band) 1. Teil: Der gotische Text und seine griechische Vorlage. Mit Einleitung, Lesarten und Quellennachweisen sowie den kleineren Denkmälern als Anhang. Heidelberg: Carl Winter, 1919. (S. 472 - 474)
(Vgl. H. Achelis Zeitschr. f. d. neutestamentl. Wissenschaft 1,308-338.)
[23] | ·kg· | þize ana Gutþiudai managaize marwtre jah Friþareikei[kei]s. |
[24] | ·kd· | |
[25] | ·ke· | |
[26] | ·kq· | |
[27] | ·kz· | |
[28] | ·kh· | |
[29] | ·kþ· | gaminþi marwtre þize bi Werekan papan jah Batwin bilaif. aikklesjons fullaizos ana Gutþiudai gabrannidai. |
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Naubaimbair: fruma Jiuleis ·l· |
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[1] | ·a· | |
[2] | ·b· | |
[3] | ·g· | Kustanteinus þiudanis. |
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[5] | ·e· | |
[6] | ·q· | Dauriþaius aipisks. |
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[13] | ·ig· | |
[14] | ·id· | |
[15] | ·ie· | Filippaus apaustaulus in Jairupulai. |
[16] | ·iq· | |
[17] | ·iz· | |
[18] | ·ih· | |
[19] | ·iþ· | þizo alþjono in[e] Bairaujai ·m· samana. |
[20] | ·k· | |
[21] | ·ka· | |
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[29] | ·kþ· | Andriins apaustaulus. |
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[editorial note: Br. = Wilhelm Braun, U. = Uppström]
Das Bruchstück des got. Kalenders steht auf S. 196 des Ambrosianus A d. i. auf S. 405, der vorletzten Seite, der Gotischen Hs. Da S. 405 mit dem November abschließt, so könne man erwarten, daß die flg. Seite den Dezember geboten habe; aber S. 406 ist leer: der Dezember hat also dem got. Kalender gefehlt.
Die Lücke von acht Seiten zwischen dem Brief an Philemon und dem Kalenderbruchstück genügt für den fehlenden Teil des Kalenders. Haben jedoch auf S. 397 der got. Hs. nur die beiden Schlußverse des Briefes an Philemon gestanden, hat der Kalender also erst auf der flg. Seite 398 begonnen, so muß angenommen werden, daß außer dem Dezember noch ein zweiter Monat im Kalender übergangen war.
Daß der Dezember fehlt, ist kein Zufall: in der 'stillen Zeit' des Advents wird kein kirchliches Fest gefeiert worden sein. Einer Quadragesima vor Weihnachten entspricht aber immer auch eine gleiche Fastenzeit vor Ostern: so wird es wahrscheinlich, daß außer dem Dezember noch ein zweiter Monat, vielleicht der März, unberücksichtigt geblieben war.
Die Feste der kathol. Kirche Oberitaliens haben keine Spur im got. Kalender hinterlassen. Seine Feste beweisen vielmehr deutlich, daß er schon fertig mit der got. Bibel nach Italien gebracht worden ist, ja die Notiz vom 19. November verrät uns noch die Provinz, wo er entstanden ist. Denn das von ihr erwähnte Beröa ist mit der thrakischen Stadt gleichen Namens identisch: als die Goten in Thrakien den Kalender schufen, fügten sie den nationalen Festen einige Feiertage lokalen Charakters hinzu.
Über die einzelnen Feste ist folgendes zu bemerken: 1. Die Tage der Apostel Philippus und Andreas zeigen in den griech. Menologien die richtigen Daten des 14. und des 30. Nov., während der got. Kalender sie fälschlich auf den 15. und den 29. Nov. ansetzt. Im Jahre 356 sind die Überreste des Apostels Andreas nach Konstantinopel überführt worden; von dort verbreitet sich langsam sein Fest. Im Abendland wird es erst im 6. Jahrh. bekannt. Das Fest des Apostels Philippus ist vom Okzident nicht übernommen worden.
2. Die (26) gotischen Märtyrer des 29. Oktobers mit Wereka und Batwins erscheinen in den Menologien am 26. März, vgl. die Texte und Erörterungen bei Achelis aO. S. 318 ff. und bei Delehaye Analecta Bollandiana 31,276ff. Das Martyrium fällt unter Valentinian, Valens und Gratian, also zwischen 367 und 378, in die Zeit der Kämpfe Athanarichs und Fritigerns. Der Schauplatz ist wohl jenseits der Donau zu suchen. Wie Athanarich die Häuser der Christen anzuzünden pflegte, so verbrannte Wingurich die Gemeinde in ihrer Kirche. Der Titel 'papa', den Wereka trägt, lehrt, daß bei den Goten auch die Presbyter den Titel 'papa' erhielten; denn Wereka und Batwins werden ausdrücklich als Presbyter bezeichnet. Das Datum des Kalenders dürfte richtig sein.
3. Die 40 Alten von Beröa figurieren im Kalender unter dem 19. Nov., während die griech. Quelle sie dem 1. Sept. zuweist; das Martyrologium Hieronymianum gibt jedoch dem got. Kalender recht. Es handelt sich um das Martyrium von 40 Frauen (Jungfrauen): es ist also das got. alþjano nicht in alþjane M., sondern in alþjono F. zu bessern.
4. Dorotheos ist der arianische Bischof von Heraklea, später Antiochien, zuletzt Konstantinopel, † 6. Nov. 407, 119 Jahre alt. Vgl. Delehaye Analecta Bollandiana 31,277.
5. Unklar ist die Notiz zum 23. Oktober. Man vermutet, daß Friþareiks für Fritigern verschrieben sei, und daß es sich um eine Verfolgung von Anhängern Fritigerns durch Athanarich gehandelt habe. In diesem Falle wäre Friþareiks-Fritigern nicht den Märtyrern zuzuzählen, sondern es könnte sich nur um die Feier seines Gedenktags handeln.
6. Der 3. Nov. wird als Gedenktag Konstantins bezeichnet: der Name ist verschrieben, denn am 3. Nov. starb Konstantius. Der Freund der Arianer und Schirmherr der wulfilanischen Gemeinde hat eine Stätte im got. Kalender gefunden.
Für alle weitern Einzelheiten vgl. Achelis a. a. O.